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dem  Druck  erster  Untersuchungsergebnisse  und  des  Koaltionspartners  FDP  zurück,  um  der
               Aufklärung  der  Affäre  nicht  im  Wege  zu  stehen;  am  11.  Oktober  wird  der  ehemalige
               Ministerpräsident in einem Genfer Hotel tot aufgefunden; bis heute ist nicht geklärt, wie Barschel
               zu  Tode  kam  und  welche  Rolle  die  schleswig-holsteinischen  SPD-Politiker  Jansen  und  der
               scheinbare  Geschädigte  Engholm  in  der  Affäre  gespielt  haben;  eine  Fortsetzung  erhielt  die
               Geschichte  1994,  als  Engholm  wegen  Verdächtigungen  in  dieser  Richtung  von  der
               Kanzlerkandidatur zurücktreten mußte.
                     1989  in  der  CDU  deutet  sich  eine  Palastrevolte  gegen  Kanzler  Helmut  Kohl  an  –  Ex-
               Generalsekretär  Geißler,  Ministerin  Süßmuth,  Ex-Generalsekretär  Biedenkopf,  dem  baden-
               württembergischen Ministerpräsidenten Späth und anderen wird nachgesagt, den Parteivorsitzenden
               entthronen  zu  wollen;  Kohls  Rivale  Lothar  Späth  erledigt  sich  zur  rechten  Zeit  durch  eine
               Korruptionsaffäre,  die  anderen  trauen  sich  nicht  recht,  und  letztlich  rettet  der  heraufziehende
               Zusammenbruch der "DDR" den unbeliebt gewordenen Kohl.
                     1989 (Mai)  nach  Kommunalwahlen  in der "DDR" protestieren  Bürger gegen die üblichen,
               auch  diesmal  zum  Tragen  gekommenen  Wahlfälschungen;  Hans  Modrow  und  und  andere
               reformbereite  Parteiführer  kommen  als  Hoffnungsträger  einer  "demokratischeren"  SED  und  als
               mögliche Erben der vergreisten Patriarchenriege um Erich Honecker ins Gespräch
                     1989  (Juni)  beim  Staatsbesuch  in  Deutschland  wird  der  sowjetische  Staatschef  Michail
               Gorbatschow  für  seine  Reformpolitik  enthusiastisch  gefeiert;  die  "DDR"-Regierung  sieht  keinen
               Reformbedarf,  vielmehr  feiert  Staatschef  Honecker  die  angeblich  wohltuende  Wirkung  des
               "antifaschistischen Schutzwalls" seit 1961.
                     1989  (August/September)  tausende  von  "DDR"-Bürgern  kehren  nicht  aus  dem  Urlaub
               zurück,  flüchten  sich  stattdessen  in  Prag  und  Budapest  in  die  westdeutschen  Botschaften;
               wochenlang  sind  die  Regierungen  der  Tschechoslowakei  und  Ungarns  ratlos,  wie  sie  sich
               gegenüber den "Republikflüchtigen" verhalten sollen; dann öffnet Ungarn die Grenze, so daß die in
               Budapest  Eingeschlossenen  über  Österreich  in  die  Bundesrepublik  ausreisen  können;  schließlich
               stimmt die "DDR"-Regierung zu, daß auch die Prager Botschaftsflüchtlinge freikommen, allerdings
               in Zügen der ostdeutschen Reichsbahn und über das Territorium der "DDR".
                     1989 (7. Oktober) Partei und Regierung feiern mit Truppenparaden das 40-jährige Bestehen
               der "DDR"; elf Tage später wird, unter dem Druck täglicher Demonstrationen überall in der SBZ,
               der SED-Generalsekretär Honecker gestürzt und durch Egon Krenz ersetzt, der einige Monate zuvor
               die  blutige  Niederschlagung  des  Volksaufstandes  in  China  begrüßt  hatte;  24.  Oktober  folgt  die
               totale Entmachtung Honeckers.
                     1989  (7.  -  9.  November)  der  Ministerrat  und  das  gesamte  Politbüro  der  der  SED  treten
               zurück;  tags  darauf  verkündet  das  neue  Politbüro-Mitglied  Günter  Schabowski  dank  eines
               Mißverständnisses überraschend die Öffnung der Grenzen, verspricht freie Ausreisemöglichkeit für
               alle Bürger ab sofort; in derselben Nacht strömen zigtausende "DDR"-Bürger nach Westberlin, es
               beginnt  ein  tagelanges  Volksfest,  in  dessen  Verlauf  Millionen  Ostdeutsche  dem  Westen  ihren
               Besuch abstatten; der allgemeine Jubel ergreift auch den Bonner Bundestag, dort erheben sich die
               Abgeordneten  geschlossen  (einschließlich  der  Grünen-Fraktion!)  zum  Absingen  der
               Nationalhymne; nach 28 Jahren ist die Berliner Mauer gefallen; der frühere Berliner Bürgermeister
               Willy Brandt prophezeit tags darauf öffentlich die Wiedervereinigung Deutschlands.
                     1989 (13. November) die Volkskammer in Ostberlin wählt den Dresdner SED-Bezirksleiter
               Hans Modrow zum Ministerpräsidenten der "DDR".
                     1989 (Dezember) Rücktritt von Egon Krenz als Staatsratspräsident; die SED wird in "Partei
               des demokratischen Sozialismus" (PDS) umbenannt, die Parteiführung übernimmt der Rechtsanwalt
               Gregor Gysi; nachdem immer deutlicher wird, daß die "DDR" als Staat nicht zu retten ist, setzen
               sich  Bundeskanzler  Kohl  und  der  SPD-Ehrenvorsitzende  Willy  Brandt  an  die  Spitze  des
               Wiedervereinigungsprozesses.
                     1990 (März) erste freie Volkskammerwahl in der "DDR"; Lothar de Maizières (Ost-CDU)
               wird neuer Ministerpräsident;   Rede Lothar de Maizières vor der Volkskammer.
                     1990 Deutschland wird zum dritten Mal nach 1954 und 1974 Fußball-Weltmeister.
                     1990 (Juli)  die "DDR" geht  mit der Bundesrepublik eine  Wirtschafts- und  Währungsunion
               ein, die D-Mark wird eingeführt.
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