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nach oben (nach dem Vorbild des britischen Premierministers Blair), hat Schröder zeitweise heftig
mit seiner eigenen Fraktion zu kämpfen, bändigt die innerparteilichen Widerstände nur durch
regelmäßige Rücktrittsdrohungen, während die Grünen immer weniger Probleme damit haben, sich
die neoliberalen Standpunkte der FDP zu eigen zu machen.
2004 (Januar) die Gesundheitsreform der SPD-Sozialministerin Schmidt tritt in Kraft: viele
sozial Schwache – Arbeitslose, Heimbewohner, Sozialhilfeempfänger – , die sich notwendige
Medikamente und die neue Eintrittsgebühr für Arztpraxen nicht leisten können, werden de facto aus
dem Gesundheitssystem ausgeschlossen.
2004 (Mai) EU-Erweiterung: 10 Länder werden neu in die Europäische Union aufgenommen:
Polen, die Tschechei, Ungarn, die Slowakei, Slowenien, Litauen, Lettland, Estland, Malta und
Griechisch-Zypern.
2004 Kanzler Schröder hält Deutschland militärisch weiterhin aus dem ideologisch
aufgeladenen Raubkrieg der Amerikaner im Irak heraus; allerdings wird sich Anfang 2006
herausstellen, daß der vom Kanzleramt kontrollierte Bundesnachrichtendienst sich an Verhören
arabischer Gefangener, die von den Amerikanern gefoltert werden, beteiligt und die Entführung
"politisch verdächtiger" deutscher Staatsbürger tatenlos gebilligt hat; die „Multi-Kulti“-Politik der
mitregierenden Grünen führt zum Visa-Skandal: zehntausende Osteuropäer, darunter ein Großteil
zur Prostitution gezwungene Frauen, reisen als illegale Arbeiter mit Visa nach Deutschland ein, die
in deutschen Botschaften in der Ukraine und Rußland leichtfertig vergeben worden sind, teils
aufgrund von Dienstanweisungen des Außenamts-Staatssekretärs Lutger Vollmer (Grüne), teils
auch gegen Geld; Außenminister Fischer steht als „Zuhälter“ da und muß sich einem langwierigen
Untersuchungsausschuß stellen unter Mitwirkung der Oppositionsparteien CDU/CSU werden die
nach einem VW-Manager benannten Reformgesetze „Hartz I“ bis „Hartz IV“ beschlossen: Kürzung
der Arbeitslosengelder, Reorganisation der Arbeitsämter, sogenannte „Ich-AGs“ und „Ein-Euro-
Jobs“ sowie der Zwang, jede angebotene Arbeit anzunehmen, sollen die Massenarbeitslosigkeit
beseitigen; die offizielle Arbeitslosenzahl liegt seit Jahren bei etwa 5 Millionen.
2005 (Februar) der Anfang vom Ende von Rot-Grün in Berlin: bei der Landtagswahl in
Schleswig-Holstein kommt es zum Patt zwischen den Lagern SPD/Grüne und CDU/FDP; obwohl
sie weniger Wählerstimmen als die CDU erhalten hat, will sich die SPD-Ministerpräsidentin Heide
Simonis mit den Stimmen der dänischen Minderheitspartei SSW im Amt halten; entgegen der
Absprache mit Grünen und SSW findet Simonis jedoch in vier Wahlgängen nicht die nötige
Mehrheit im Landtag, weil offenbar ein Abgeordneter aus dem eigenen Lager eine Rechnung mit
ihr zu begleichen hat; schließlich kommt es zu einer CDU/SPD-Koalition unter Leitung des CDU-
Ministerpräsidenten Carstensen; Simonis nimmt ihren Abschied aus der Politik.
2005 (19. April) der bayerische Kardinal Josef Ratzinger wird im römischen Konklave als
Nachfolger des verstorbenen Polen Karol Woityla zum Papst gewählt; er nennt sich Benedikt XVI.
2005 (Mai) Fortsetzung der Demontage des rot-grünen "Projekts": der CDU-Kandidat Jürgen
Rüttgers gewinnt in Nordrhein-Westfalen, dem Stammland der Sozialdemokratie, die Landtagswahl
und erklärt: "Der Vorsitzende der größten Arbeiterpartei in NRW bin ich." Kanzler Schröder
reagiert nicht mit sofortigem Rücktritt, sondern kündigt für den Herbst vorgezogene Bundestags-
Neuwahlen an; der ehemalige Partei-Vorsitzende Lafontaine verläßt die SPD und schließt sich der
"Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG) an, einer Sammlungsbewegung
zumeist früherer SPD-Anhänger, die dem von Schröder und dem SPD-Vorsitzenden Müntefering
betriebenen Abbau des Sozialstaats entgegentreten wollen; im Hinblick auf die Bundestagswahl
wird ein Bündnis mit der nur in Ostdeutschland starken PDS geschmiedet, Lafontaine und der PDS-
"Promi" Gregor Gysi treten als Führungsduo der neuen "Linkspartei" auf.
2005 (18. September) nachdem Bundespräsident Köhler (seit 1. Juli 2004 im Amt) und das
Verfassungsgericht dem von Schröder avisierten fragwürdigen Verfahren zur Parlamentsauflösung
zugestimmt haben, findet die vorgezogene Neuwahl des Bundestages statt CDU und CSU gehen
überraschend gemeinsam nur um ein knappes Prozent stärker aus der Wahl hervor als die SPD, die
34,2 Prozent erreicht; so ermöglicht das Wahlergebnis weder eine Koalition aus Union und FDP,
noch ist eine Neuauflage der SPD/Grünen-Regierung möglich; eine Zusammenarbeit mit der
"Linken" wird von beiden Seiten ausgeschlossen das Gedankenspiel einer "schwarzen Ampel" bzw.
"Jamaika"-Koalition (schwarz-gelb-grün) wird nach kurzen erfolglosen Verhandlungen verworfen;
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