Page 76 - 4211
P. 76

"Deutschen Herbst" so weit, die  Wiedereinführung der Todesstrafe oder Sippenhaft-Maßnahmen
               gegen die Familien der Terroristen zu erwägen.
                     1979 (Juli) Professor Karl Carstens (CDU) wird fünfter Bundespräsident.
                     1980 (Frühjahr) aus verschiedenen Bürgerinitiativen, der Umweltschutzbewegung und der
               Protestwelle  gegen  die  geplante  atomare  Nachrüstung  der  NATO  entsteht  eine  neue  Partei,  die
               "Grünen"; die ebenfalls mitbegründenden ehemaligen CDU-Anhänger und rechtsorientierten "Blut
               und  Boden"-Grünen  werden  bald  verdrängt,  nach  ersten  Wahlerfolgen  (seit  1983  im  Bundestag,
               bald  darauf  Regierungsbeteiligung  in  Hessen)  schlägt  die  Partei  einen  zunehmend
               fundamentalistischen  Kurs  ein;  erst  seitdem  die  Grünen  auch  auf  Bundesebene  in
               Regierungsverantwortung eingebunden sind (seit 1998 Koalition mit der SPD in Berlin), haben sich
               die "Realos" um Joschka Fischer durchsetzen können – mit der Folge, daß das einstige ökologische,
               soziale und pazifistische Profil der Partei beinahe restlos aufgegeben worden ist.
                     1980 Franz-Josef Strauß Kanzlerkandidat: mit Hilfe der Drohung, die Fraktionsgemeinschaft
               mit  der  Schwesterpartei  aufzukündigen,  setzt  die  CSU  ihren  Vorsitzenden,  den  bayerischen
               Ministerpräsidenten Strauß, als Kanzlerkandidaten durch, der für die Union gegen Helmut Schmidt
               antreten soll; CDU/CSU erzielen 44,5% und stellen wie bisher die stärkste Bundestagsfraktion.
                     1981  (Januar)  Griechenland  wird  als  10.  Mitglied  in  die  Europäische  Gemeinschaft
               aufgenommen.
                     1982  ein  Redakteur  der  Illustrierten  "Stern"  entdeckt  vermeintliche  Hitler-Tagebücher,  die
               nach einigen triumphalen Teilveröffentlichungen als phantasievolle Machwerke des schwäbischen
               Bilderfälschers  Konrad  Kujau  entlarvt  werden  –  der  peinliche  Skandal  bringt  Kujau  und  den
               Redakteur Heidemann ins Gefängnis, untergräbt den Ruf mehrerer Historiker und zerstört auf Jahre
               hinaus das Ansehen des "Stern".
                     1982   (Oktober)     die   "geistig-moralische   Wende":    nachdem     die   sozialliberale
               Regierungskoalition über der Nachrüstungsfrage zerbrochen und die FDP unter Genschers Führung
               zur CDU übergewechselt ist (daher zeitweilig das Verb "genschern" für opportunistisches Wechseln
               der Partnerschaft), wird Helmut Schmidt durch konstruktives Mißtrauensvotum abgewählt und der
               CDU-Vorsitzende Helmut  Kohl,  mit dem Genscher persönlich  befreundet  ist, neuer  Kanzler der
               Bundesrepublik.
                     1983 (März) bei der Bundestagswahl wird die Koalition aus CDU/CSU und FDP bestätigt;
               die  neue  Regierung  tritt  mit  umfassenden  Reformabsichten  in  konservativem  Sinne  an,  die  von
               Brandt  und  Schmidt  abgeschlossenen  Ostverträge  werden  jedoch  nicht  revidiert;  auch
               sozialpolitisch werden unter Kohl keine nennenswerten Einschnitte gemacht; dennoch entwickelt
               sich die Wirtschaft wieder positiv, die Arbeitslosenzahl geht zunächst zurück.
                     1984 (Juli) Richard von Weizsäcker (CDU) wird sechster Bundespräsident.
                     1985 (März) Michail Gorbatschow wird neuer Staats- und Parteichef in der Sowjetunion; von
               westlichen Politikern zunächst verteufelt, vom CDU-Generalsekretär Geißler mit Joseph Goebbels
               verglichen,  bringt  der  neue  Mann  in  Moskau  durch  seine  "Perestroika"-Politik  der  inneren
               Lockerung und außenpolitischen Gesprächsbereitschaft das altstalinistische Regime in der SBZ bald
               in arge ideologische Bedrängnis: Honecker will nur die staatsrechtliche Anerkennung der "DDR",
               keine wirkliche deutsch-deutsche Annäherung.
                     1985 (Mai)  Staatsbesuch des  Amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan;  in  Bitburg wird
               gefallener  Angehöriger  der  Waffen-SS  gedacht,  im  KZ  Bergen-Belsen  der  Opfer  des
               Nationalsozialismus.
                     1986 (Januar) mit dem Beitritt Spaniens und Portugals wird die Europäische Gemeinschaft
               auf 12 Mitgliedsländer erweitert.
                     1986  (April)  die  Reaktorkatastrophe  in  Tschernobyl  schärft  erneut  das  Bewußtsein  in  der
               deutschen  Öffentlichkeit  über  die  Gefährlichkeit  der  Atomkraft  und  verschafft  den  "Grünen"
               weiteren Zulauf.
                     1987  (September)  die  "Barschel-Affäre":  einen  Tag  vor  der  schleswig-holsteinischen
               Landtagswahl  meldet  das  Nachrichtenmagazin  "Der  Spiegel",  der  CDU-Ministerpräsident  Uwe
               Barschel  habe  den  SPD-Gegenkandidaten  Björn  Engholm  bespitzeln  und  mit  falschen
               Anschuldigungen bewußt diskreditieren lassen; die Wahl selber ergibt ein Stimmenpatt im Landtag,
               Barschel schwört, die Vorwürfe des "Spiegels" seien vollkommen abwegig; dennoch tritt er unter
                                                                                                             80
   71   72   73   74   75   76   77   78   79   80   81