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1863 Gründung des "Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins" durch Ferdinand Lassalle: die
erste große Sammlung der politischen Kräfte des Proletariats und der Anfang der Sozialdemokratie.
1864 "Deutsch-Dänischer Krieg": durch einen gemeinsamen Feldzug holen Preußen und
Österreich die Herzogtümer Schleswig und Holstein, die sich der dänische König widerrechtlich
angeeignet hatte, in den Deutschen Bund zurück und erfüllen damit eine zentrale Forderung der
Revolutionäre von 1848.
1866 aus dem Streit um die Hegemonie über das eben zurückgewonnene Schleswig-Holstein
entwickelt sich ein preußisch-österreichischer Krieg, bei dem das neue Königreich Italien mit
Preußen im Bunde steht; Bismarck erklärt den Deutschen Bund für aufgelöst, besiegt die von
Österreich aufgebotene Bundesarmee in wenigen Wochen, annektiert für Preußen Hannover,
Kurhessen, Nassau und Frankfurt und gründet den "Norddeutschen Bund"; Österreich verliert
Venetien an Italien.
1867 die Verfassung des Norddeutschen Bundes tritt in Kraft: seine Volksvertretung, der
Bundesrat, kommt durch allgemeine, gleiche und direkte Wahlen zustande; Bismarck gewinnt
dadurch die Sympathie vieler Liberaler.
1870 wird einer Seitenlinie des hohenzollern'schen Königshauses von Preußen die spanische
Krone angetragen; Kaiser Napoleon III. von Frankreich fürchtet eine strategische Einkreisung und
will die deutsche Thronkandidatur unter allen Umständen verhindern; Bismarck gibt die
überzogenen Forderungen Napoleons an die Presse weiter und stellt damit Frankreich vor aller Welt
diplomatisch bloß (Emser Depesche) ; Frankreich erklärt Preußen den Krieg.
1870/71"Deutsch-Französischer Krieg" und Gründung des Zweiten Kaiserreichs: unter der
Anteilnahme ganz Deutschlands greift die preußische Armee an, nimmt den französischen Kaiser
Napoleon III. gefangen und erobert Paris; nach Bismarcks Verhandlungen mit den deutschen
Fürsten wird noch während des Krieges im Januar 1871 das Deutsche Reiche neugegründet und
Wilhelm I. von Preußen zum Kaiser gekrönt; Bismarck setzt gegen "großdeutsche" Bestrebungen
durch, daß Österreich von der Reichsgründung ausgeschlossen wird.
1871 Ende des Krieges durch den Vorfrieden von Versailles (im Februar) und den
Friedensschluß von Frankfurt (Mai): Frankreich muß Elsaß-Lothringen wieder an Deutschland
abtreten und 5 Mrd. Francs Kriegsentschädigung zahlen.
1871 bis 1878 im sogenannten "Kulturkampf" versucht Reichskanzler Bismarck, durch
repressive Gesetze den politischen Katholizismus und das Jesuitentum in die Schranken zu weisen -
weitgehend erfolglos, wie der beständige Zuwachs für die Abgeordneten-Fraktion der antiliberalen
und reaktionären Zentrumspartei im Reichstag bis 1907 zeigt.
1875 Gründung der "Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands" (SAP), die sich 1890 in
"Sozialdemokratische Partei Deutschlands" (SPD) umbenennt; führende Köpfe der sozialistischen
Bewegung sind seit den 60er Jahren August Bebel und Karl Liebknecht
1878 beunruhigt von den Wahlerfolgen der Arbeiterpartei, läßt Bismarck den Reichstag ein
Gesetz "wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" beschließen (sog.
Sozialistengesetze): Verbot von sozialistischen Zeitungen und Vereinigungen (bis 1890).
1879 Abschluß des bis 1918 gültigen "Zweibunds", eines Beistandsvertrags mit Österreich-
Ungarn für den Fall eines russischen Angriffs; durch den Beitritt Italiens 1882 bildet sich hier
bereits die anfängliche Bündniskonstellation des ersten Weltkriegs heraus.
1883 bis 1889 Einführung der weltweit fortschrittlichsten Sozialgesetze:
1883 Krankenversicherungen für Arbeiter (Beitragszahlung zu gleichen Teilen durch
Arbeitnehmer und Arbeitgeber);
1884 Arbeiter-Unfallversicherung (ohne Arbeitnehmer-Anteil);
1889 Renten- und Invalidenversicherung (Rentenbezug ab 70 Jahren bzw. bei
Arbeitsunfähigkeit - Beiträge je zur Hälfte von Arbeitern und Unternehmern) Bismarcks
Zielsetzung, die Arbeiterschaft mit dem Staat zu versöhnen und die sozialistischen Organisationen
zu schwächen, erfüllt sich nur zum Teil.
1884/85 Bismarck gibt seinen Widerstand gegen den Erwerb von Kolonien auf: Deutsch-
Südwestafrika (Namibia), Togo, Kamerun, später auch Deutsch-Ostafrika (Tansania) und einige
Atolle in der Südsee werden zu "Schutzgebieten" des Reiches erklärt.
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