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Meuterern "Arbeiter- und Soldatenräte" gebildet - der Bolschewismus droht von Rußland auf
Deutschland überzuspringen; unter dem Eindruck der allgemeinen Kriegsmüdigkeit und der
revolutionären Volksstimmung tritt Prinz Max von Baden zurück, der Kaiser dankt am 9.
November ab und geht nach Holland ins Exil.
1918 (9. November) Ausrufung der Republik: am Tag der Abdankung Kaiser Wilhelms II.
ruft der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann in Berlin die "Deutsche Republik" aus; die 1916 als
Abspaltung von der SPD entstandenen kommunistischen "Spartakisten" Karl Liebknechts versucht
durch eine zweite Republik-Verkündung, den Zusammenbruch der Monarchie für die Eröffnung der
Revolution auszunutzen.
1918 (11. November) Besiegelung des Waffenstillstands an Fronten - der Krieg ist beendet.
1919 (22. Juni) in Weimar beschließt die Nationalversammlung die neue Verfassung (daher
der Name "Weimarer Republik").
1919 (28. Juni)"Versailler Friedensvertrag": angesichts der Drohung der Alliierten, den Krieg
erneut zu eröffnen und nach Deutschland einzumarschieren, sieht die SPD-Regierung sich
gezwungen, das von den Siegern allein ausgehandelte und den Deutschen ohne Mitspracherecht
diktierte Vertragswerk zu unterzeichnen; die erpreßte Annahme des Versailler Diktats belastet die
Republik und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung von Anfang an schwer; die Hauptbestimmungen
lauten:
1. Der Kaiser sowie mehrere Generäle und Politiker sollen als "Kriegsverbrecher"
ausgeliefert werden;
2. Deutschland muß rund 70.000 km² Territorium abtreten, hauptsächlich an Polen,
Frankreich und Belgien;
3. Die deutsche Stadt Danzig wird unter Völkerbundsmandat gestellt und damit
polnischem Einfluß ausgeliefert;
4. Alle deutschen Kolonien müssen an die Siegermächte abgegeben werden;
5. Sämtliches Kriegsmaterial ist an die Alliierten auszuliefern;
6. Die künftige deutsche Armee bleibt auf ein Berufsheer von 100.000 Mann beschränkt;
7. Alle alliierten Kriegsgefangenen müssen von Deutschland sofort freigelassen werden,
während die deutschen Gefangenen erst später heimkehren dürfen;
8. Große Teile des deutschen Rheinlandes sollten auf unbestimmte Zeit von französischen
und englischen Truppen besetzt bleiben;
9. Deutschland (und seinen Verbündeten) wird die alleinige Kriegsschuld zugewiesen, mit
der Konsequenz, daß es Reparationszahlungen in Höhe von 269 Milliarden Goldmark in 42
Jahresraten zu zahlen haben würde (1921 revidiert: 132 Mrd.);
10. Österreich muß Südtirol an Italien abtreten und darf sich nicht mehr an das Deutsche
Reich anschließen; die Donaumonarchie wird zerstückelt und in autonome Kleinstaaten aufgelöst.
1920 Kapp-Putsch: unter der Führung des ostpreußischen Politikers Kapp bildet eine Gruppe
aus Reichswehroffizieren und Freikorps-Angehörigen in Berlin eine Gegenregierung; obwohl
Heeresleiter General von Seeckt nicht eingreift, bricht der Putsch nach wenigen Tagen unter einem
Generalstreik der Gewerkschaften und Beamten zusammen.
1921 eine Volksabstimmung ergibt, daß die Mehrheit der Bevölkerung Oberschlesiens bei
Deutschland bleiben will; trotzdem wird das Gebiet geteilt und wichtige Industrieregionen mit
400.000 deutschen Einwohnern dem neuen polnischen Staat zugeschlagen.
1922 Abschluß des "Rapallo-Vertrags" zwischen Deutschland und Sowjetrußland:
Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen, Handelsabkommen, gegenseitiger Verzicht auf
Kriegsentschädigungen.
1922/23 Wirtschaftskrise und Hyper-Inflation in Deutschland (Stand 15.11.1923: 1 US-Dollar
= 4200 Milliarden Mark); die Alliierten verlangen die im Versailler Diktat festgesetzten
Reparationen, Deutschland ist außerstande, sie zu erbringen.
1923 (Januar) Einmarsch französischer und belgischer Truppen in das Ruhrgebiet, um
gewaltsam deutsche Reparationsleistungen in 'Naturalien' (Rohstoffe, Industrieprodukte)
einzutreiben; Reichskanzler Cuno fordert das Volk zu passivem Widerstand auf, England und die
USA protestieren gegen das Vorgehen Frankreichs, dennoch dauert die Besatzung bis 1925 an.
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