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entfernteste, dunkelste Gartenecke, um sein Werk zu
vollbringen. Die Gans Auguste schrie aber Zeter und Mord,
indessen die Mutter und Theres lauschten, wann sie
endgültig verstummen werde. Aber Auguste verstummte
nicht, sondern schimpfte auch im Garten immerzu.
Schließlich trat doch Stille ein. Der Mutter liefen die
Tränen über die Wangen, und auch Peterle jammerte:
„Wo ist meine Gustje? Wo ist Gustje?“ Jetzt knarrte
drunten die Haustür. Die Mutter eilte herunter. Vater
Löwenhaupt, stand mit schweißbedecktem Gesicht und
wirrem Haar da... doch ohne Auguste.
„Wo ist sie?“ fragte die Mutter.
Draußen im Garten hörte man jetzt wieder ein
schnatterndes Schimpfen.
„Ich habe es nicht vermocht“, erklärte Vater
Löwenhaupt.
Man brachte also die unbeschädigte Auguste
wieder hinauf zum Peterle, das ganz glücklich seine
„Gustje“ zu sich nahm, und, sie streichelnd, einschlief.
Inzwischen brütete Vater Löwenhaupt, wie er dennoch
seinen Willen durchsetzen könne, wenn auch auf
möglichst schmerzlose Art. Er dachte und dachte nach,
während er sich in bläulichgraue Wolken dichten
Zigarrenrauches hüllte. Plötzlich kam ihm die
Erleuchtung. Am nächsten Tag mischte er der Gans
Auguste in ihren Kartoffelbrei zehn aufgelöste Tabletten
Veronal, eine Dosis, die ausreicht, einen erwachsenen
Menschen in einen tödlichen Schlaf zu versetzen.
Tatsächlich begann am folgenden Nachmittag die Gans
Auguste nach ihrer Mahlzeit seltsam umherzutorkeln, wie
eine Traumtänzerin von einem Bein auf das andere zu
treten, mit den Flügeln dazu zu fächeln und schließlich
nach einigen langsamen Kreiselbewegungcn sich mitten
auf den Küchenboden hinzulegen und zuschlafen.
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