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die  Aufteilung  der  Herrschaftsgewalt  auf  eine  Reihe  von  Gliedstaaten  und  auf  den  Zentralstaat.
               Schließlich definiert das Grundgesetz Deutschland als einen Sozialstaat. Der Sozialstaat verlangt,
               dass die Politik Vorkehrungen trifft, um den Menschen auch bei Erwerbslosigkeit, Behinderung,
               Krankheit  und  im  Alter  ein  menschenwürdiges  materielles  Auskommen  zu  gewährleisten.  Eine
               Besonderheit  des  Grundgesetzes  ist  der  so  genannte  „Ewigkeitscharakter“  dieser  tragenden
               Verfassungsgrundsätze. Die Grundrechte, die demokratische Herrschaftsform, der Bundesstaat und
               der Sozialstaat dürfen auch durch spätere Änderungen des Grundgesetzes oder durch eine komplett
               neue Verfassung nicht angetastet werden.
                     Mit der Feststellung, dass das Volk die Herrschaft durch besondere Organe ausübt, schreibt
               das Grundgesetz die Herrschaftsform der repräsentativen Demokratie  fest. Die Verfassungen der
               deutschen  Länder  sehen  darüber  hinaus  Instrumente  direkter  Demokratie  vor.  Mit  der
               Volksinitiative  fordert  eine  Mindestzahl  von  Bürgern  ein  Landesparlament  auf,  ein  Gesetz  zu
               erarbeiten. Das Volksbegehren verlangt in gleicher Weise, dass das Parlament einen vorgelegten
               Gesetzentwurf  verabschiedet.  Folgt  das  Parlament  dem  Begehren  nicht,  findet  anschließend  ein
               Volksentscheid statt, in dem die Mehrheit das Gesetz beschließen kann.
                     3. Die politischen Parteien und das Wahlsystem
                     Deutschland  ist  eine  Parteiendemokratie:  Parteien  sind  das  Bindeglied  zwischen  Staat  und
               Gesellschaft. Sie haben nach dem Grundgesetz die Aufgabe, an der politischen Willensbildung des
               Volkes  mitzuwirken.  Die  Aufstellung  von  Kandidaten  für  politische  Funktionen  und  die
               Organisation  von  Wahlkämpfen  gewinnen  dadurch  den  Rang  einer  Verfassungsaufgabe.  Aus
               diesem Grund erhalten die Parteien vom Staat einen Ausgleich für die im Wahlkampf entstehenden
               Kosten.  Die  in  Deutschland  erstmals  praktizierte  Wahlkampfkostenerstattung  ist  heute  in  den
               meisten  Demokratien  gebräuchlich.  Der  Aufbau  der  politischen  Parteien  muss  nach  dem
               Grundgesetz  demokratischen  Grundsätzen  folgen  (Mitgliederdemokratie).  Es  wird  von  ihnen
               erwartet, dass sie sich zum demokratischen Staat bekennen.
                      Parteien,  deren  demokratische  Gesinnung  in  Zweifel  steht,  können  auf  Antrag  der
               Bundesregierung  verboten  werden.  Sie  müssen  aber  nicht  verboten  werden.  Hält  die
               Bundesregierung ein Verbot für angebracht, weil solche Parteien eine Gefahr für das demokratische
               System  darstellen,  so  kann  sie  lediglich  einen  Verbotsantrag  stellen.  Das  Verbot  selbst  darf
               ausschließlich vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden. So wird verhindert, dass die
               regierenden Parteien einer Partei verbieten, die ihnen im politischen Wettbewerb unbequem werden
               könnte. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es wenige Verbotsverfahren und noch weniger
               Parteienverbote gegeben. Das Grundgesetz privilegiert zwar die politischen Parteien. Die Parteien
               bleiben aber im Kern Ausdrucksformen der Gesellschaft. Sie tragen alle Risiken des Scheiterns bei
               Wahlen,  bei  der  Abwanderung  von  Mitgliedern  und  bei  der  Zerstrittenheit  in  Personal-  und
               Sachfragen.
                     Das deutsche Parteiensystem ist überschaubar. Aus einem langjährigen Drei-Parteien-System
               hat sich durch die Etablierung der Grünen in den 1980er-Jahren und der SED-Nachfolgepartei nach
               der Wiedervereinigung 1990 ein mittlerweile stabiles Fünf-Parteien-System entwickelt. Neben den
               Volksparteien  CDU/CSU  und  SPD  verzeichneten  auch  die  „kleinen“  Parteien  bei  der
               Bundestagswahl 2009 zweistellige Prozentwerte bei den Wählerstimmen. Die Unionsparteien, die
               zur  europäischen  Parteienfamilie  der  christlichen  Demokraten  gehören,  treten  überall  in
               Deutschland  –  mit  Ausnahme  Bayerns  –  als  Christlich  Demokratische  Union  (CDU)  auf.  Im
               Bundesland Bayern verzichtet die CDU auf ein eigenes Auftreten und überlässt das Feld der mit ihr
               eng  verbundenen  Christlich-Sozialen  Union  (CSU).  Im  Bundestag  haben  sich  die  Abgeordneten
               beider Parteien dauerhaft zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammengeschlossen.
                     Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die zweite große Kraft im deutschen
               Parteiensystem.  Sie  gehört  zur  europäischen  Parteienfamilie  der  Sozialdemokraten  und
               demokratischen  Sozialisten.  CDU/CSU  und  SPD  stehen  grundsätzlich  positiv  zum  Sozialstaat.
               CDU/CSU  integrieren  eher  die  Schichten  der  Selbstständigen,  Gewerbetreibenden  und
               Unternehmer, die SPD steht den Gewerkschaften nahe.
                     Die Freie Demokratische Partei (FDP) gehört zur Familie der liberalen europäischen Parteien.
               Ihr politisches Credo ist das geringstmögliche Eingreifen des Staates in den Markt. Die FDP genießt
               Rückhalt vor allem in den höheren Einkommens- und Bildungsschichten. Die Grünen gehören zur
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