Page 16 - 4211
P. 16
Die 70er Jahre in der BRD waren geprägt von einer Welle terroristischer Anschläge (RAF)
und die Folgen einer weltweiten Wirtschaftskrise (ab Ende der 70er), die die Zahl der Arbeitslosen
sprunghaft ansteigen ließ. Die 1979 beschlossene NATO-Nachrüstung und die damit verbundene
Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa lösten in der Bundesrepublik Deutschland eine
große Friedensbewegung aus. Der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Helmut Schmidt (1974-
1982), die an den Auseinandersetzungen um die NATO-Nachrüstung scheiterte, folgte eine
christlich-liberale Koalition unter Helmut Kohl (1982 bis 1998).
Auch in der DDR hatte sich eine Friedensbewegung Ende der 70er Jahre formiert, die
zunächst staatlich gelenkt war, dann jedoch die Basis für die Bürgerrechtsbewegung in der zweiten
Hälfte der 80er Jahre bildete. Michail Gorbatschows Reformpolitik in der Sowjetunion ab 1985, die
untrennbar mit den Begriffen Glasnost und Perestroika verbunden ist, konnte auch an der DDR
nicht spurlos vorübergehen. Während die SED-Führung die Reformpolitik des russischen
Präsidenten scharf kritisierte, geriet sie innenpolitisch immer mehr unter Druck.
Helmut Kohl
1989 öffnete Ungarn seine Grenze zu Österreich, und es kam zu einer Massenflucht von
DDR-Bürgern über die Grenze in den Westen. Gleichzeitig fanden in vielen Städten der DDR
Massendemonstrationen gegen das Regime statt, worauf Parteichef Erich Honecker zurücktrat. Am
9. November 1989 wurde die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland
geöffnet. Im Zwei-Plus-Vier-Vertrag (12. September 1990) zwischen der frei gewählten Regierung
der DDR unter Lothar de Maizière (CDU), der Regierung der BRD und den vier Siegermächten aus
dem Zweiten Weltkrieg wurden die Voraussetzung für die Wiedervereinigung der beiden deutschen
Staaten geschaffen, die am 3. Oktober 1990 vollzogen wurde. Hauptstadt wurde erneut Berlin. Im
November 1990 wurde die Oder-Neiße-Linie als endgültige Ostgrenze Deutschlands bestätigt. Bei
den ersten freien gesamtdeutschen Wahlen seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Koalition
aus CDU/CSU und FDP unter Kanzler Helmut Kohl bestätigt (erneut 1994).
Die Wiedervereinigung stellte eine große wirtschaftliche Belastung für Deutschland dar.
Durch die Übernahme der Altschulden und die hohen Kosten für den Wiederaufbau in den neuen
Bundesländern stiegen die Staatschulden an, ebenso die Zahl der Arbeitslosen. Erst ab 2005 gab es
wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung. Schwierig gestaltete sich auch die Bewältigung der
entstandenen gesellschaftlichen und sozialen Probleme durch die Wiedervereinigung. Allgemein
konnte ein Ansteigen des Rechtsextremismus verzeichnet werden, rechte Parteien mit
ausländerfeindlichen Parolen verbuchten vor allem in den neuen Bundesländern Wahlerfolge.
Die Koalition unter Helmut Kohl verlor die Wahlen 1998, die Regierung wurde von einer
Koalition aus Sozialdemokratischer Partei und Bündnis 90/Die Grünen übernommen.
Bundeskanzler wurde Gerhard Schröder (SPD). Die Wahlen 2002 gewann die regierende rot-grüne
Koalition knapp mit einem Vorsprung von elf Sitzen. Der Regierung gelangen mit der Agenda 2010
(einem Konzept zur Reform des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarkts) erste
Reformmaßnahmen. Durch die Einnahmen aus der umstrittenen Ökosteuer gelang es, die
Lohnnebenkosten (Rentenversicherungsbeiträge) zu reduzieren. Allgemein wurde das Thema
Ökologie stärker gewichtet. Der erste Kampfeinsatz deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg
- 1999 im Kosovo-Krieg - markierte einen Wendepunkt der deutschen Außenpolitik. Deutschland
unterstützte im Rahmen des Anti-Terrorkrieges den Krieg in Afghanistan, beteiligte sich aber 2003
nicht am Irakkrieg. Dies führte zu Konflikten vor allem mit den USA, aber zu großen
Sympathiebekundungen aus der deutschen Bevölkerung gegenüber Schröder. Das
Arbeitsmarktkonzept Hartz IV, das 2005 in Kraft trat, hatte das Ziel, den Arbeitsmarkt zu beleben;
allerdings wuchsen die Proteste v. a. der Betroffenen gegen eine als unsozial empfundene Politik.
2005 löste Bundespräsident Horst Köhler den Bundestag auf, nachdem Schröder am 1. Juli
die Vertrauensfrage gestellt hatte. Bei den Neuwahlen im September konnte keine der Parteien eine
absolute Mehrheit erringen. Nach langen Sondierungsgesprächen wurde schließlich Angela Merkel
(CDU) in einer großen Koalition als erste Frau in der Geschichte zur Bundeskanzlerin Deutschlands
gewählt. 2007 fusionierten nach zweijähriger Vorbereitungszeit die beiden Parteien "Linkspartei"
(Die Linkspartei.PDS) und die Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) zur neuen Partei
"Die Linke". Parteivorsitzende wurden Lothar Bisky (langjähriger Vorsitzender der 2005 in
Linkspartei umbenannten PDS) und Oskar Lafontaine (ehemaliger SPD-Vorsitzender und
20