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                  Deutschland  der  Kanzler  gewählt,  in  Großbritannien  oder  anderen
                  parlamentarischen  Demokratien  aber  vom  Staatsoberhaupt  ernannt  wird.  In
                  anderen  parlamentarischen  Demokratien  wird  stets  ein  Parteiführer  zum
                  Regierungschef ernannt, der sich auf eine Parlamentsmehrheit stützen kann.
                       Die  zweite  große  Aufgabe  der  Abgeordneten  im  Bundestag  ist  die
                  Gesetzgebung.  Seit  1949  sind  im  Parlament  über  10000  Gesetzesvorlagen
                  eingebracht  und  mehr  als  6600  Gesetze  verabschiedet  worden.  Überwiegend
                  handelt es sich dabei um Gesetzesänderungen. Auch hier gleicht der Bundestag
                  den  Parlamenten  anderer  parlamentarischer  Demokratien  darin,  dass  er
                  hauptsächlich  Gesetze  verabschiedet,  die  von  der  Bundesregierung
                  vorgeschlagen  werden.  Der  Bundestag,  der  im  Berliner  Reichstag  residiert,
                  verkörpert  allerdings  weniger  den  Typ  des  Debattierparlaments,  wie  es  die
                  britische  Parlamentskultur  kennzeichnet.  Er  entspricht  vielmehr  dem  us-
                  amerikanischen  Typ des so  genannten  Arbeitsparlaments. Die  Fachausschüsse
                  des  Bundestages  beraten  intensiv  und  sachkundig  über  die  dem  Parlament
                  vorgelegten Gesetzentwürfe.
                       Die  dritte  große  Aufgabe  des  Bundestages  ist  die  Kontrolle  der
                  Regierungsarbeit. Die in der Öffentlichkeit sichtbare parlamentarische Kontrolle
                  übt die parlamentarische Opposition aus. Der weniger sichtbare, dafür aber nicht
                  weniger  wirksame  Teil  der  Kontrollfunktion  wird  von  den  Abgeordneten  der
                  Regierungsparteien  übernommen,  die  hinter  den  verschlossenen  Türen  der
                  Sitzungsräume kritische Fragen an ihre Regierungsvertreter richten.

                       6. Der Bundespräsident

                       Als  Staatsoberhaupt  repräsentiert  die  Bundesrepublik  Deutschland  der
                  Bundespräsident.  Er  vertritt  das  Land  nach  außen  und  ernennt  die
                  Regierungsmitglieder,  die  Richter  und  die  hohen  Beamten.  Mit  seiner
                  Unterschrift setzt er die Gesetze in Kraft. Er entlässt die Regierung und darf, wie
                  im  Sommer  2005  geschehen,  das  Parlament  in  Ausnahmefällen  vorzeitig
                  auflösen.  Ein  Vetorecht,  wie  es  der  US-amerikanische  Präsident  oder  andere
                  Staatspräsidenten       gegen      Gesetzesbeschlüsse         der     parlamentarischen
                  Körperschaften besitzen, gesteht das Grundgesetz dem Bundespräsidenten nicht
                  zu. Der Bundespräsident bestätigt zwar die parlamentarischen  Beschlüsse  und
                  die  Personalvorschläge  der  Regierung.  Aber  er  prüft  nur  ihr  korrektes
                  Zustandekommen nach den Vorschriften des Grundgesetzes.
                       Der Bundespräsident übt sein Amt über eine Periode von fünf Jahren aus;
                  er  kann  für  eine  weitere  Periode  wiedergewählt  werden.  Er  wird  von  der
                  Bundesversammlung gewählt. Diese besteht zum einen aus den Mitgliedern des
                  Bundestages und zum anderen aus einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die
                  von den Parlamenten der 16 Länder gewählt werden.

                       7. Der Bundeskanzler und die Regierung
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