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                       Die zweite deutsche Demokratie erwies sich als Erfolg. Für diesen Erfolg
                  gab es viele Gründe: Die Wertschätzung der freiheitlichen Lebensweise nach der
                  Diktatur und das Streben nach Akzeptanz durch die demokratischen Nachbarn
                  gehörten dazu. Aber auch das Grundgesetz hat seinen Anteil an diesem Erfolg.
                  Als  die  Teilung  Deutschlands  nach  über  40  Jahren  zu  Ende  ging,  wurde  das
                  Grundgesetz 1990 zur Verfassung des vereinigten Deutschlands.

                       2.       Das Grundgesetz
                       Das  Grundgesetz  für  die  BRD  wurde  als  Provisirium  geschaffen,  doch
                  erwies  es  sich  bald  als  echte  Verfassung  und  als  Grundelement  politischer
                  Stabilität. Es bindet die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und
                  die  Staatsverwaltung  an  Recht  und  Gesetz.  Besondere  Bedeutung  besitzt  der
                  Artikel  1  des  Grundgesetzes.  Er  postuliert  als  höchstes  Gut  der
                  Verfassungsordnung  die  Respektierung  der  Menschenwürde:  „Die  Würde  des
                  Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller
                  staatlichen  Gewalt.“  Die  weiteren  Grundrechte  garantieren  unter  anderem  die
                  Freiheit des Handelns im Rahmen der Gesetze, die Gleichheit der Menschen vor
                  dem Gesetz, die Presse- und Medienfreiheit, die Vereinigungsfreiheit sowie den
                  Schutz der Familie.
                       Das  Grundgesetz  bestimmt  Deutschland  als  Rechtsstaat:  Alles  Handeln
                  staatlicher  Behörden  unterliegt  der  richterlichen  Kontrolle.  Ein  weiteres
                  Verfassungsprinzip  ist  der  Bundesstaat,  das  heißt  die  Aufteilung  der
                  Herrschaftsgewalt  auf  eine  Reihe  von  Gliedstaaten  und  auf  den  Zentralstaat.
                  Schließlich  definiert  das  Grundgesetz  Deutschland  als  einen  Sozialstaat.  Der
                  Sozialstaat  verlangt,  dass  die  Politik  Vorkehrungen  trifft,  um  den  Menschen
                  auch  bei  Erwerbslosigkeit,  Behinderung,  Krankheit  und  im  Alter  ein
                  menschenwürdiges         materielles     Auskommen         zu     gewährleisten.     Eine
                  Besonderheit des Grundgesetzes ist der so genannte „Ewigkeitscharakter“ dieser
                  tragenden  Verfassungsgrundsätze.  Die  Grundrechte,  die  demokratische
                  Herrschaftsform, der Bundesstaat und der Sozialstaat dürfen auch durch spätere
                  Änderungen des Grundgesetzes oder durch eine komplett neue Verfassung nicht
                  angetastet werden.
                       Mit der Feststellung, dass das Volk die Herrschaft durch besondere Organe
                  ausübt,  schreibt  das  Grundgesetz  die  Herrschaftsform  der  repräsentativen
                  Demokratie fest. Die Verfassungen der deutschen Länder sehen darüber hinaus
                  Instrumente  direkter  Demokratie  vor.  Mit  der  Volksinitiative  fordert  eine
                  Mindestzahl  von  Bürgern  ein  Landesparlament  auf,  ein  Gesetz  zu  erarbeiten.
                  Das  Volksbegehren  verlangt  in  gleicher  Weise,  dass  das  Parlament  einen
                  vorgelegten  Gesetzentwurf  verabschiedet.  Folgt  das  Parlament  dem  Begehren
                  nicht,  findet  anschließend  ein  Volksentscheid  statt,  in  dem  die  Mehrheit  das
                  Gesetz beschließen kann.

                       3. Die politischen Parteien und das Wahlsystem
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