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                       Das  Bundesverfassungsgericht  ist  eine  charakteristische  Institution  der
                  deutschen  Nachkriegsdemokratie.  Es  wurde  vom  Grundgesetz  mit  dem  Recht
                  ausgestattet,  demokratisch  korrekt  zustande  gekommene  Gesetzesbeschlüsse
                  außer Kraft zu setzen, wenn es zu der Feststellung gelangt, dass sie gegen das
                  Grundgesetz verstoßen. Das Verfassungsgericht wird nur auf Antrag tätig. Der
                  Kreis  der  Klageberechtigten  umfasst  die  Bundesorgane  Bundespräsident,
                  Bundestag,  Bundesrat,  Bundesregierung  oder  deren  Teile  –  Abgeordnete  oder
                  Fraktionen  –  sowie  Landesregierungen.  Das  Verfassungsgericht  wird  im
                  „Verfassungsstreit“       zum     Schutz     der     im    Grundgesetz       garantierten
                  Gewaltenteilung und des Bundesstaates aktiv. Um auch einer parlamentarischen
                  Minderheit  die  Anrufung  des  Verfassungsgerichts  zu  ermöglichen,  genügt  ein
                  Drittel  der  Mitglieder  des  Bundestages,  um  Klage  gegen  eine  Rechtsnorm  zu
                  erheben („abstrakte Normenkontrollklage“).
                       Das  Grundgesetz  legitimiert  auch  den  einzelnen  Bürger  zur
                  „Verfassungsbeschwerde“,  wenn  er  sich  durch  das  Handeln  einer  Behörde  in
                  seinen  Grundrechten  verletzt  sieht.  Schließlich  ist  jedes  deutsche  Gericht
                  verpflichtet,     mit    einer     „konkreten      Normenkontrollklage“         an     das
                  Verfassungsgericht  heranzutreten,  wenn  es  ein  Gesetz  für  verfassungswidrig
                  hält.    Das     Bundesverfassungsgericht         hat     das    Monopol        auf    die
                  Verfassungsauslegung für die gesamte Gerichtsbarkeit.

                       10. Deutschland und Europa

                       Die  Bundesrepublik  Deutschland  ist  seit  Entstehung  eine  treibende  Kraft
                  der  europäischen  Einigung.  Sie  ist  eine  parlamentarische  Demokratie.  Die
                  Regierungspolitik  wird  vom  Regierungschef  und  seinen  Ministern  bestimmt,
                  aber nicht vom Staatsoberhaupt. Durch die hohen Standards des Grundgesetzes
                  für     Rechtsstaatlichkeit       und      Demokratie        wird      bisweilen       das
                  Bundesverfassungsgericht zu einem europapolitischen Akteur. Das Gericht hat
                  mehrfach  verdeutlicht,  dass  die  europäische  Rechtsordnung  den  Kriterien  des
                  Grundgesetzes  genügen  muss,  bevor  Deutschland  politische  Gestaltungsrechte
                  an  die  Europäische  Union  abtritt.  Die  „Ewigkeitsgarantie“  der  tragenden
                  Grundgesetzprinzipien  gerät  hier  in  ein  Spannungsverhältnis  zum  Bekenntnis
                  des  Grundgesetzes  zur  europäischen  Integration.  In  einem  Grundsatzurteil  hat
                  das Verfassungsgericht im Juni 2009 angemahnt, dass der Bundestag auch dann
                  substanziell an der europäischen Beschlussfassung beteiligt werden muss, wenn
                  er nicht als Ratifizierungsorgan für die Europäischen Verträge gefordert ist.

                                                    Die Aufgaben zur Lektion

                       1.  Ordnen Sie die Wörter den Definitionen zu!
                       die  Abstimmung  •  das  Gesetz  •  die  Koalition  •  der  Konsens  •  der
                  Staatsbürger  das  Staatsoberhaupt  •  die  Wahl  •  der  Abgeordnete  •  wählen  •
                  föderal
                       z. B. der Abgeordnete : ein Mitglied des Parlaments
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