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Lederriemen, das nur an diesem Sonntag des Jahres
hervorgeholt und von Generation zu Generation
weitergegeben wird.
Der Zug der Reiter verläßt das Dorf auf dem seit
Jahrhunderten benutzten Weg, der sie ins benachbarte Dorf
führt, in dem sie feierlich empfangen und reichlich bewirtet
werden, während die Reiter aus dem Nachbardorf das
gleiche in den Häusern dieser Männer erfahren.
Dieses Osterreiten wurde nach der Reformation in den
nunmehr protestantischen Dörfern der Lausitz als
„papistisch“ verachtet und verboten. Nur in einigen Dörfern
der Kreise Kamens, Bautzen und Hoyerswerda hat es sich
bis in die heutigen Tage erhalten, auch wenn es an Pferden
mangelt. Trotzdem staunen die von weitem hergereisten
Besucher dieses eigenwilligen Schauspiels immer wieder
über die große Zahl der sorbischen Osterreiter.
Ostereier genießen in der ganzen Welt besondere
Wertschätzung. Es ist also keine sorbische Besonderheit,
dieser Brauch, der so viel Aufwand und Zeit kostet und
Geschmack und Können verlangt. Und doch haben diese
ornamentgeschmückten, mit Gänsefedern, Wachs und
Kräuterfarben buntverzierten Eier etwas an sich, was sie im
20. Jahrhundert unverkennbar sorbisch macht. Sie sind nicht
einfach in Drogeriefarben getaucht, mit dem Pinsel bemalt
oder mit Abziehbildern beklebt. Hier, in diesen Reihen der
geometrischen Figuren, der stilisierten Blütenkränze und in
der Farbkombination stecken Geschichte, Tradition und
Wesensart des kleinsten slawischen Volkes der Erde.
Die Männer und Frauen, die diese Kunst von ihren
Eltern oder Großeltern gelernt haben, kennen verschiedene
Techniken der Malerei. Die am häufigsten angewandte ist
die Wachstechnik, bei der mit Gänsefedern, deren Spitzen in
geometrische Formen geschnitten werden, ein Gemisch von
Kerzen- und Bienenwachs auf die Eierschale aufgetragen
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